Heilige Hierarchie: Frauen & Religion
Newsletter Nr. 98 - Girls & Gods, Inna Shevchenko, Calendarium Viennense
Girls, Gods & Inna Shevchenko
Alle großen Religionen hierarchisieren die Geschlechter und werten damit Frauen ab. Wer jetzt geistig einwendet, dass es in der evangelischen Kirche doch Bischöfinnen gebe und in Berlin doch diese eine islamische Imamin predigt, möge an dieser Stelle den alten Kalauer „Ausnahmen bestätigen die Regel“ auf seine große immanente Weisheit hin prüfen.
Die zentralen religiösen Texte der Buchreligionen sprechen eine eindeutige Sprache: In den Zehn Geboten wird die Frau in eine Reihe mit Besitz und Vieh gestellt.
„Du sollst nicht die Frau deines Nächsten begehren, nicht seinen Sklaven oder seine Sklavin, sein Rind oder seinen Esel oder irgendetwas, das deinem Nächsten gehört.“
Im Koran sieht es nur graduell anders aus:
„Die Männer stehen über den Frauen, weil Gott sie (von Natur aus vor diesen) ausgezeichnet hat und wegen der Ausgaben, die sie von ihrem Vermögen gemacht haben. Und die rechtschaffenen Frauen sind (Gott) demütig ergeben und geben acht auf das, was verborgen ist, weil Gott (darauf) acht gibt. Und wenn ihr fürchtet, dass (irgendwelche) Frauen sich auflehnen, dann vermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie! Wenn sie euch (daraufhin wieder) gehorchen, dann unternehmt (weiter) nichts gegen sie! Gott ist erhaben und groß.“
Im Islam ist die Verhüllung der Frau Ausdruck patriarchaler Kontrolle. Die Selbstbefreiung aus der Verschleierung etwa in den Protesten iranischer Frauen ist ein mutiger und revolutionärer Akt der Selbstbestimmung. Umso widersprüchlicher wirkt es, wenn in westlichen Gesellschaften das Kopftuch als Zeichen des Empowerments gefeiert wird. Auch im Judentum sind Frauen religiös vorgeschriebenen Formen der Kopfbedeckung durch Perücken unterworfen. Diese Unterwerfungspraktiken sind keine fundamentalistischen Randerscheinungen, sondern Ausdruck der religiösen Norm. Sie sind die ganz normale Religion, die wir in unseren aufgeklärten Gesellschaft oft als radikale Fehlinterpretationen eines an sich gut gesinnten Glaubenssystems rahmen, das nur politisch missbraucht wird. Tatsächlich ist jede Auslegung einer modernen, gleichberechtigten Religion die eigentliche Abweichung.
Girl x Religion
Die feministische Aktivistin Inna Shevchenko wurde vor etwas mehr als zehn Jahren mit der Bewegung der Femen international bekannt. Weltweite Aufmerksamkeit erregte sie 2012, als sie in Kyjiw aus Solidarität mit Pussy Riot ein Holzkreuz fällte. Als Folge dieses motorisierten Kraftakts gegen religiös legitimierte Unterdrückung, musste sie die Ukraine verlassen. Mit der Rolle der Frau in den Religionen beschäftigt sie sich weiter bis zu einem Drehbuch für die Filmdokumentation „Girls & Gods“, die sie gemeinsam mit Verena Soltiz und Arash T. Riahi realisierte. Shevchenko führt als Host durch den Film und spricht mit einzelnen gläubigen, vom Glauben abgefallenen, reformatorischen und konvertierten Frauen und Gruppierungen aus dem Judentum, Christentum und Islam.
Der Film zeigt, wie Frauen innerhalb ihrer Glaubensgemeinschaften um grundlegende Rechte kämpfen und um eine Anerkennung (von Männern), die ihnen wahrscheinlich immer verwehrt sein wird und die sie mit Selbstbestimmung verwechseln. Die Strategien reichen von Anpassung über stillen Widerstand bis hin zum Versuch, Religionen öffentlichkeitswirksam von innen zu reformieren. Beim Zusehen stellt sich bei mir ein ambivalentes Gefühl ein: Bedauern von jenen, die vergeblich versuchen, jahrhundertealte Systeme patriarchaler Ordnung zu verändern und Ratlosigkeit angesichts derer, die die eigene Unterdrückung zu rationalisieren versuchen und verteidigen anstatt dem offensichtlichen Irrsinn der Religion den Rücken zu kehren.
Shevchenko urteilt nicht über diese Frauen. Gelassen zeigt sie die Widersprüche auf und überlässt es dem Publikum, die eigenen Schlüsse zu ziehen.
Für den Materie-Podcast habe ich mit Inna Shevchenko gesprochen.
Calendarium Viennense
Ein beliebtes Souvenir aus Rom ist ein Wandkalender mit zwölf mehr oder weniger feschen Priestern. Bei genauerem Hinsehen erkennt man aber leicht, dass es sich nur um vorgebliche Pfaffen handelt. Dafür braucht man wirklich nicht nach Rom zu fahren! Auch weil es jetzt das Calendarium Viennense gibt – ein praktischer Wandkalender mit allen zwölf Monaten 2026 und einer gratis Vorschau auf drei Monate 2027. Auf den Innenseiten ist sogar eine Liste aller Wiener Erzbischöfe und Kardinäle abgedruckt, vielleicht auch ein Text über das österreichische Konkordat mit dem Heiligen Stuhl.




