Calendarium Viennense, ein Weihnachtsgeschenk
Newsletter Nr. 99 – Ein Kalender und das Konkordat
Mit dem Konkordat zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl erkennt der Staat eine Reihe von der katholischen Kirche festgesetzten Feiertage an. Darunter fällt auch der Weihnachtstag am 25. Dezember. Wahrscheinlich ist es Ausdruck der hiesigen Ungeduld, dass schon am Vorabend Geschenke getauscht werden und der 24.12. gemeinhin als Weihnachten gilt. Das war eine freundliche Erinnerung, schön langsam daran zu denken, diese auch rechtzeitig zu besorgen.
Ein außerordentlich schönes Geschenk ist das Calendarium Viennense – ein Wandkalender mit 15 kirchlichen Motiven aus Wien, die von Männern in passender Kleidung größtenteils aber verdeckt werden.
Hier bestellen: https://calendariumviennense.com
Im fünfsprachigen (Deutsch, Lateinisch, Englisch, Französisch, Italienisch) Kalender ist nicht nur eine Übersicht über alle Bischöfe, Erzbischöfe und Kardinäle Wiens, sondern auch der folgende Text über das Konkordat der Republik Österreich mit dem Vatikan abgedruckt.
Der Kalender wurde mit freundlicher Unterstützung von Almdudler realisiert.
Das Konkordat
Das österreichische Konkordat von 1933: Entstehung und rechtliche Stellung
“Das Konkordat zwischen der Republik Österreich und dem Heiligen Stuhl” – wie es auch mit langem Titel heißt – wurde am 5. Juni 1933 unterzeichnet und trat am 1. Mai 1934 in Kraft. Es regelt das Verhältnis zwischen Staat und katholischer Kirche und hat bis heute mit seinen Zusatzprotokollen Geltung. Der Vertrag fixiert die privilegierte öffentlich-rechtliche Stellung der katholischen Kirche in Österreich gegenüber anderen religiösen und nicht-religiösen Weltanschauungen und umfasst unter anderem Bestimmungen zur Autonomie der Kirche, zu ihrem Vermögen, zum kirchlichen Eherecht, zum Religionsunterricht, zur Errichtung theologischer Fakultäten, Einrichtung von Militärseelsorge, zur Besetzung kirchlicher Ämter und bildet die Grundlage zahlreicher Ausnahmebestimmungen und Sonderrechte in Bundes- und Landesgesetzen.
Zum Zeitpunkt seiner Unterzeichnung befand sich Österreich in einer Zeit tiefgreifender innenpolitischer Umbrüche. Im März 1933 hatte sich der Nationalrat durch eine Geschäftsordnungsbestimmung selbst außer Funktion gesetzt. Eine parlamentarische Kontrolle der Regierung fand zu diesem Zeitpunkt nicht mehr statt. Die Bundesregierung unter Engelbert Dollfuß regierte auf Grundlage von Notverordnungen. In diese Phase des beginnenden Austrofaschismus fällt der Abschluss des Konkordats – ebenso wie die Ausarbeitung einer neuen Verfassung, die 1934 in Kraft trat, ohne durch ein demokratisches Verfahren legitimiert worden zu sein.
Das österreichische Konkordat entstand im zeitlichen und politischen Umfeld des deutschen Reichskonkordats, das im Juli 1933 unter ähnlichen Vorzeichen zwischen dem Vatikan und dem nationalsozialistischen Deutschen Reich abgeschlossen wurde. In beiden Fällen erfolgte die vertragliche Regelung des katholisch-staatlichen Verhältnisses in autoritären Kontexten, mit direkter Beteiligung des Heiligen Stuhls und ohne parlamentarische Beteiligung auf staatlicher Seite. Unterzeichnet wurden die Konkordate in beiden Ländern von Nuntius Eugen Pacelli, der später zum Papst Pius XII. werden sollte.
Das Konkordat wurde somit nicht durch ein gewähltes Parlament beschlossen, sondern durch eine autoritär regierende Bundesregierung genehmigt. Die Zustimmung erfolgte per Ministerratsbeschluss und Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt. Eine nachträgliche parlamentarische Ratifizierung liegt bis heute nicht vor. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an Deutschland 1938 erklärte die nationalsozialistische Regierung das Konkordat zwar für gegenstandslos, aber nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde es durch einen Ministerratsbeschluss vom 1. Mai 1957 „wieder in Wirksamkeit gesetzt“. Auch dieser Schritt erfolgte ohne Beschluss des Nationalrats. Dennoch wurde das Konkordat seither als völkerrechtlicher Vertrag mit Verfassungsrang behandelt. Möglich ist dies durch Artikel 50 des Bundes-Verfassungsgesetzes, der bestimmten Staatsverträgen bei entsprechender Genehmigung durch das Parlament Verfassungsrang verleiht. Im Fall des Konkordats wurde eine solche Genehmigung nicht erteilt, aber im Laufe der Rechtsentwicklung vorausgesetzt. Die verfassungsrechtliche Stellung des Vertrags ergibt sich also nicht aus einem klar nachvollziehbaren legislativen Akt, sondern aus einer juristischen Praxis, die sich über mehrere Jahrzehnte etabliert hat.
Das Konkordat bildet die Grundlage für eine Reihe von innerstaatlichen Regelungen – etwa im Privatschulgesetz, im Religionsunterrichtsgesetz oder im Gesetz über die theologischen Fakultäten. Es betrifft unter anderem die rechtliche Stellung kirchlicher Feiertage, die Bestellung und Besoldung von Religionslehrpersonen sowie das Mitwirkungsrecht kirchlicher Stellen im Bildungswesen.
Das Konkordat betrifft ausschließlich die römisch-katholische Kirche. Andere Religionsgemeinschaften können durch staatliche Anerkennung öffentlich-rechtlichen Status erlangen, allerdings nicht auf Grundlage völkerrechtlicher Verträge, sondern durch innerstaatliche Gesetzgebung. Für sie gelten andere rechtliche Rahmenbedingungen, die sowohl in ihrer Reichweite als auch in ihrer Absicherung hinter dem Konkordat zurückbleiben. Nichtreligiöse Weltanschauungsgemeinschaften sind in diesem Modell nicht vorgesehen.
Das österreichische Konkordat stellt somit eine rechtlich eigenständige Konstruktion dar, deren Geltung sich historischen Umständen verdankt, die aus heutiger Sicht außerhalb der regulären demokratischen Verfahren lagen. Es verbindet Elemente des Völkerrechts mit innerstaatlicher Gesetzgebung und wirkt bis in zentrale gesellschaftliche Bereiche hinein – insbesondere Bildung, Familie und öffentlich-rechtliche Finanzierung religiöser Strukturen.
Über seine rechtliche Wirksamkeit hinaus hat das Konkordat auch eine symbolische und institutionelle Wirkung entfaltet. Die darin abgesicherte Sonderstellung der katholischen Kirche hat zu einem kontinuierlichen Einfluss auf gesellschaftliche und politische Entscheidungen geführt, insbesondere in Bereichen wie Bildungspolitik, Bioethik oder Familienrecht. In vielen Fällen geschieht dies nicht auf Grundlage expliziter Rechtsvorgaben, sondern durch gewachsene Netzwerke, historische Nähe zu politischen Entscheidungsträgern oder beratende Funktionen in staatlichen Gremien. Der vertraglich garantierte Status wirkt hier oft stillschweigend normbildend – auch dort, wo er rechtlich nicht verpflichtend wäre.


